Das Jahr 1844

Das Jahr 1844

stellt für den Meister Eberhard Friedrich Walcker ein ganz besonderes Jahr dar. Im fünfzigstem Lebensjahr (wer an den 7Jahresrhytmus glaubt, weiß, dass die 7*7=49 ein ganz besonderes Wandlungsgeschehen verspricht)  Und für uns soll das Jahr 2004 als ein kleines Gedenkjahr an dieses schöne Datum sein. Hier nun die Geschichte, was vor 160 Jahren geschah :

am 21.04.1844 heiratet Eberhard Friedrich Walcker zum zweiten Mal. (wir haben es also fast auf den Tag genau mit einem schönen historischen Ereignis zu tun) Maria Stump, sein angetrautes Weib, ist die Tocher des Oberamtmann Gottlieb Stump aus Esslingen, die dem Orgelbaumeister 11 Kinder schenken wird. Aus dieser Ehe kommen die Orgelbaumeister  Paul und Eberhard. (Paul ging später zu Sauer; Eberhard wird mit Oscar Inhaber von E.F.Walcker &Cie.)

Eberhard Friedrich Walcker erstellt ein sorgfältiges Inventar (Juli 1844) aller seiner Besitztümer auf, bei dem interessant sind : bei den Bücher handelt es sich fast ausschließlich um Gebetsbücher und Bibeln. Aber er hatte auch den "Töpfer", ein Kochbuch und "Conversationslexikon".

Eberhard Friedrich lernte seine Frau Marie beim Einbau der neuen Orgel für Jesingen bei Kirchheim an der Teck ( Opus 45, II/31, Bj. 1844) lieben lernen. Denn kennengelernt hat Eberhard Friedrich das "liebreizende und vornehme Fräulein" in der Zeit von 1832 bis 1838, als ihr Vater Gottlieb Stump Oberamtmann in Ludwigsburg war. (dies ist in vielen Biografien fehlerhaft dargestellt, und erweckt den Eindruck, dass Eberhard Friedrich sehr ungestüm, nach wenigen Wochen Bekanntschaft, schon losheiratete) Die Familien Walcker und Stump sind seit den Zeiten des Großvaters der Marie Stump gute Bekannte. Dieser Großvater war Taufpate von Eberhard Friedrich Walcker. Die neue Gattin wurde durch Briefe der Söhne Heinrich und Fritz rührend willkommen geheissen. Sie hat sich rasch an die Arbeit in dem großen Haus und der Verpflegung von 30 Arbeitern eingewöhnt. Erst im Jahre 1860 wurde eine Wittfrau eingestellt, welche die Speisungen übernahm. Diese Wittfrau brannte aber bald mit einem Orgelbauer nach Boston (während der Montage der besagten Orgel) durch. Bei den vielen Reisen Eberhard Friedrich's wurde intensiver Briefwechsel geführt, der gut erhalten ist. Oft schließen Briefe Eberhard Friedrich's mit den Worten : es ist Nachts 11 Uhr. Gute Nacht! Die Gnade des Herrn sei mit Dir ! Amen !

Marie Walcker, geb. Stump,1817-1887, war aber nicht nur Verwalterin eines einfachen Haushaltes, sie musste fast selbstversorgend im Haus-und Waldgarten alle möglichen Rohstoffe ziehen, wie Kartoffeln, Welschkorn, Rüben, Hafer, Mohn und sonstige Feldfrüchte. Das "Schlachten der Sau" artete zu regelrechten Familienfesten aus, bei denen Gustav Walcker, wie er berichtete sogar schulfrei erhielt. Im Haus wurde gesponnen, gestrickt, gehäkelt, gewaschen und gebügelt. Es arbeiteten im Haus der Schuster, der Schneider, die Kleidermacherin, die Flickerin, die Strümpfestopferin, die Wascherin und Büglerin,.

Die Orgel in Waldenbuch wurde 1844 umgebaut. Die bei Eberhard Friedrich Walcker angestellten Orgelbauer Georg Friedrich Steinmeyer und Carl Böttcher führen diese Arbeiten durch und kleben in den Windkasten der Cs-Seite einen Zettel, worin sie bemerken, dass es sehr kalt war, und dass die Weinpreise knapp unter 8 Kreuzer liegen, so dass man keinen richtigen Schoppen trinken kann. Aber zu dieser Zeit war das Walckerische Geschäft sehr berühmt, es waren 30 Arbeiter beschäftigt, darunter 10 Orgelbauer : Karl Weigle, Julius Sturm, Johann Link, Karl Bönttheisser, Friedrich Steinmeyer, Andreas Marcussen, Georg Bentz, L. Diettrich, Adolf Dieffenbacher. Die übrigen Arbeiter waren Schreiner und Schlosser.

Im Notizkalender Eberhard Friedrich Walcker's finden sich 38 Namen, darunter sind 10 Namen durchgestrichen. Hier steht auch : 21. April Hochzeitstag. 24.April bin ich mit Marie verreist, in Heilbronn übernachtet, mit dem Dampfschiff nach Heidelberg und i. Mannheim im Pfälzer Hof übernachtet. Dann mit dem Schiff nach Mainz usw. über Neuwied zurück nach Ludwigsburg.

Anfang Juni 1844 liefert Walcker die Orgel für Schramberg an.

 Es erscheint im Regierungsblatt die Patentanmeldung für die Kegellade.

Am 5. Oktober 1844 besucht Aristide Cavaille-Coll in Ludwigsburg Eberhard Friedrich Walcker. Er geht zwei Tage nach Stuttgart zur Stiftskirche und daraufhin zur Frankfurter Paulskirchenorgel. ACC ist sich über EFW im Klaren : "Das ist ein Mann von Verdienst". Aber bekannt ist auch sein Ausspruch über die Frankfurter Walcker-Orgel : "ein französischer Soldat gilt fünf anderen Nationen". Nun, nicht einmal dreißig Jahre später wird im Deutsch-Französischen Krieg diese Formel widerlegt (leider!). Eberhard Friedrich Walcker beantwortet diesen Besuch später mit einer Reise nach Paris zu Aristide.

Die nachfolgenden Reisepass - Auszüge 01 von Eberhard Friedrich Walcker sind von 1850 bis 1864 und diese zeigen sehr schön auf, wo der Meister sich in diesen Jahren aufgehalten hat. Auszug02, Auszug03, Auszug04, Auszug05, Auszug06 , Pass von Nicolaus_I Außerdem wird deutlich, wie schwierig es innerhalb Deutschland in dieser Zeit zu reisen war.

Ein ganz besonderer Leckerbissen ist die Werkstatt-Ordnung von 1847 (ein Jahr vor dem Revolutionsjahr!) .Werkstatt-Ordnung 2.Seite

Die Revolution aber ging auch in den Köpfen der Menschen um, Vater Walcker bekam auch Differenzen mit seinen beiden volljährigen Söhnen, und in einer politischen Unterhaltung auch mit seinem Schwager Ernst Stump aus Markgrönigen. Dies wurde später wieder eingerenkt. Als eine gnädige Fügung Gottes konnte Eberhard Friedrich Walcker es ansehen, dass während der schwierigen 1848-Zeitepoche sein Geschäft mit Aufträgen auf Jahre hinaus gut ausgestattet war. Von 1847 bis 1857 konnten 73 Orgeln mit 1435 Registern abgeliefert werden, was außerordentlich war.

Apropos Revolutionsjahr 1848 : wer sich noch etwas an dieses historische Ereignis erinnert, weiß zumindest, dass Frankfurt hier eine entscheidende Rolle spielte. Und in dieser Paulskirche zu Frankfurt stand ja immer noch die Walcker-Orgel aus 1833. Doch wie hat das Instrument da ausgesehen, zu einer Zeit als am 18.Mai 1848 unter dem Jubel der Bevölkerung die Abgeordneten zur ersten Sitzung der Nationalversammlung einzogen ?

Am 1.April 1852 um 5 Uhr früh reist Eberhard Friedrich Walcker mit dem Dampfboot ab über Linz nach Agram (hierüber werden wir die nächste Geschichte berichten) -  das Dampfboot hatte den Namen "Marie"....

gwm

Chronologie der Ereignisse